Steyr wehrt sich


„Die für mich erträgliche Grenze und eine rote Linie wurden überschritten“

„Die für mich erträgliche Grenze und eine rote Linie wurden überschritten“

Flammender Appell von Vizebürgermeister Michael Schodermayr (SP) im Gemeinderat

Steyr. Erhebliche Unruhe verursachte die „Störung der Sonntagsruhe“ am Donnerstag im Steyrer Gemeinderat. Vizebürgermeister und Sozialreferent Michael Schodermayr (SP) nutzte die Aktuelle Stunde dazu, seine Empörung und seine Sicht der Dinge zu den seit mehr als zwei Jahre andauernden sonntäglichen Ruhestörungen, den sogenannten Sonntagsspaziergängen der ehemaligen Gegner der Corona-Maßnahmen, in einer zwanzigminütigen Rede darzulegen. Am Ende seiner Rede erhielt er große Zustimmung von SP, VP, Grünen und Neos, FP und MFG reagierten weniger begeistert.

Er sei erfreut über die breite politische Unterstützung der Parteien, denen diese lautstarken Märsche ebenso missfielen. Unmittelbarer Auslöser sei aber „die hundertste Veranstaltung dieser unseligen, die Stadt Steyr inzwischen enorm belastenden Serie, bei der bekannte Proponenten des Rechtsextremismus mitmarschierten“, gewesen: „Damit wurde klar, eindeutig und nicht diskutierbar die für mich persönlich erträgliche Grenze und politisch eine rote Linie überschritten.“ Weder von den Organisatoren noch von den an der Veranstaltung teilnehmenden Steyrer Mandataren – gemeint war wohl speziell FP-Vizebürgermeister Helmut Zöttl – habe es hier eine Abgrenzung, Distanzierung oder klare Ablehnung von rechtsextremem Gedankengut gegeben.

Schodermayr zeigte sich an diesem Punkt auch selbstkritisch: „Schon viel früher hätte ich lauter und deutlicher werden müssen. Rückblickend habe ich meine meiner Position als Vizebürgermeister entsprechenden, per Eid auf die Verfassung bekräftigten Verpflichtung, jeder wie immer gearteten Gefährdung der Demokratie entgegenzuhalten, nicht ausreichend wahrgenommen, n icht laut genug artikuliert oder zumindest um des politischen Friedens willen sehr lange damit zugewartet. Ich hoffe, nicht zu lange.“

Es sei ihm als Mediziner schon schwer gefallen, im Wissen über „die segensreiche Rolle von Impfungen über Impfterror, die Theorien von Chipimplantationen bei Impfungen, der Implementierung einer neuen Weltherrschaft der politischen und finanziellen Elite nach Corona im Sinne eines Great Reset oder die Verbindungen des Judentums mit der Pandemie zu diskutieren“. Stutzig hätten dann die neuen Themen der Demos gemacht: das rechte Lieblingsthema Flucht und Migration, die Opferrolle Russlands, die Demokratie- und Systemfeindlichkeit oder die Ablehnung des österreichischen Staates bei den Umzügen. Begleitet sei dies von „unerträglich lauten Rufen nach Freiheit und Demokratie“ geworden. Doch genau diese Demonstrationen hätten das Funktionieren der Demokratie bewiesen. Für diese sei es auch notwendig, zu kämpfen.

Anarchie und Chaos

Beim Ruf nach Freiheit verhalte es sich anders. Die lauten Rufe der Demonstranten hätten nur der eigenen Freiheit gegolten, ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf die Gesellschaft, gefährdete Personen oder die Überlastung des Gesundheitswesens. Diese Auffassung von Freiheit führe zu Anarchie, Chaos und letztlich zum Ruf nach Führung. Ein humanistischer Freiheitsbegriff bedeute aber gerade das Gegenteil dessen, habe nicht nur das eigene Wohl im Fokus.

„Zunehmend viele Steyrer fühlen sich durch die Märsche ganz erheblich betroffen. Sei es die Lärmbelästigung, seien es die unerträglichen Parolen, die skandiert werden, seien es die Symbole, die verwendet werden. Kinder werden verängstigt, in alten Menschen werden schreckliche Kriegserinnerungen hervorgeholt“, der öffentliche Verkehr werde gestoppt. Zudem gebe es die Wirkung nach außen: „In einer nicht unbedeutenden österreichischen Zeitung wird Steyr inzwischen als das Mekka der Rechtsextremen in Österreich bezeichnet.“ Diese Benennung sei nicht kleinzureden, auch wenn sie nichts mit der Realität zu tun habe. Die Steyrer Geschichte habe jedoch gezeigt, wie schnell Entwicklungen in den Abgrund führen könnten, wenn den falschen Parolen gefolgt werde.

Wahrer Grund der Demos seien persönliche Unzufriedenheit, das Gefühl des Abgehängtseins und Systemverdrossenheit. Die politische Agenda dahinter sei die Destabilisierung der Gesellschaft und der Demokratie.

Schodermayr finalisierte seine Rede mit einem Appell: Es gelte nun, gemeinsam die aktuellen Herausforderungen wie Krieg, Teuerung, Armut, Flucht, Pflege oder Klimakrise zu bewältigen.

„Ich sehe es als Verpflichtung an, das Vermächtnis unserer Vorfahren weiter umzusetzen: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Wehret den Anfängen!“

Die gesamte Rede ist in der Mediathek auf www.steyr.gv.at zu sehen und zu hören.

„Das Vergessen des Bösen ist die Erlaubnis z u seinem Wiedergeschehen.“

Michael Schodermayr, der Steyrer Vizebürgermeister zitiert die Inschrift einer Gedenktafel im KZ Mauthausen

Link:

https://www.steyr.gv.at/Mediathek_GR-Sitzung_19_01_2023 

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