Strache verurteilt
|15 Monate bedingt für Strache. Strache legte Berufung ein. Urteil nichts rechtskräftig.
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H.C. Strache zeigte sich vom Urteil enttäuscht und spricht von einem glatten Fehlurteil
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Bewiesener Gesetzeskauf
Der frühere Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist am Freitag am Wiener Landesgericht wegen Bestechlichkeit zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Die Strafe für den Mitangeklagten Walter Grubmüller, Eigentümer der Privatklinik Währing, beträgt ein Jahr, ebenfalls auf Bewährung. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand ein vermuteter Gesetzeskauf. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, die Verurteilten kündigten Berufung an.
Schuldig erkannt wurden Strache und Grubmüller im Zusammenhang mit zwei Spenden Grubmüllers an die Bundes-FPÖ vom Oktober 2016 und August 2017, die erste in Höhe von 2.000 Euro, die zweite in Höhe von 10.000 Euro. Nach der ersten Spende habe Strache als damaliger FPÖ-Obmann eine „faktische Einflussnahme“ auf FPÖ-Abgeordnete bzw. -Funktionäre vorgenommen, um mittels eines Initiativantrags der Freiheitlichen eine Änderung des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) zu bewirken, die der Privatklinik Währing eine Aufnahme in den PRIKRAF möglich machen sollte.
„Ein faktischer Zusammenhang ist eindeutig erwiesen als Gegenleistung für die Spende eines wohlhabenden Freundes“, stellte Richterin Claudia Moravec-Loidolt in ihrer ausführlichen Urteilsbegründung fest. Strache habe das Anliegen des befreundeten Grubmüller „in wohlwollender und ausschließlich parteilicher Förderung“ unterstützt. Grubmüller habe wiederum die insgesamt 12.000 Euro nur deshalb gespendet, um sich der Unterstützung der FPÖ im Zusammenhang mit der PRIKRAF-Gesetzesänderung zu vergewissern, zeigte sich die Richterin überzeugt. Ein anderes Motiv sei nicht erkennbar.
„Käuflichkeit von Amtsträgern muss unterbunden werden“
„Straches Bemühungen und Engagement war Gegenleistung für die Spende vom Oktober 2016“, hielt Moravec-Loidolt fest. Nachdem die FPÖ den Initiativantrag eingebracht hatte, sei die Überweisung der weiteren 10.000 Euro gefolgt. Zur Strafbemessung bemerkte die Richterin, die verhängten Strafen seien „dem Unrechtsgehalt angemessen“. An Grubmüller gewandt bemerkte sie: „Für die Bezahlung eines Abgeordneten, der später Vizekanzler wurde, darf es keine Rechtfertigung geben.“
In Richtung Straches hielt sie fest: „Eine Käuflichkeit von Amtsträgern muss unterbunden werden.“ In Anbetracht der Höhe der geflossenen Beträge und der Umstände seien die Strafen „schuld- und tatangemessen“. Die gewährte bedingte Strafnachsicht erklärte Moravec-Loidolt folgendermaßen: „Sie sind beide unbescholtene Ersttäter.“
Strache ortet „Fehlurteil“
Strache sowie Grubmüllers Anwalt, sein Bruder Helmut Grubmüller, kündigten nach der Urteilsverkündung Berufung an. Strache bemerkte gegenüber der Presse, bei dem Urteil gegen ihn handle es sich um ein „Fehlurteil“. Das Gericht habe einen Konnex zwischen einer Parteispende und seinem Handeln hergestellt, den es nachweislich nicht gebe. Der Schuldspruch habe ihn „zutiefst überrascht, aber auch schockiert“. Auch der Privatklinikbetreiber zeigte sich „enttäuscht“ vom Urteil.
Strache-Verteidiger Johann Pauer meinte im Anschluss vor Medien, das Wiener Oberlandesgericht (OLG) werde als Rechtsmittelinstanz beurteilen, ob die Rechtsauffassung des Erstgerichts zutreffend sei: „Ich hätte es anders gesehen.“ Pauer betonte, die Richterin habe „ein faires Verfahren, ruhig und sachlich“ geführt: „An der Prozessführung gibt es nichts auszusetzen.“ Weiters merkte Pauer an, vom Gericht sei festgestellt worden, „dass sich mein Mandant nicht vorsätzlich bereichert hat“. Der Schuldspruch habe sich „auf geringe Parteispenden“ beschränkt.
Richterin: Chronologie beweist, dass WKStA recht hat
Das Urteil entspricht im Wesentlichen der eingebrachten Klage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Grubmüller habe, so Moravec-Loidolt, über Jahre versucht, an die Mittel aus dem PRIKRAF zu kommen. Da er erfolglos gewesen sei, habe er sich an Strache gewandt. Die Chronologie beweist für die Richterin eindeutig, dass der wichtigste Vorwurf der WKStA korrekt ist. Moravec-Loidolt sagte, sie sei „zutiefst überzeugt“, dass der Grund der 2.000-Euro-Spende im Oktober 2016 gewesen sei, Strache zur Aktivität zu motivieren.
Straches Verantwortung, er habe nichts von den Spenden gewusst, erschien dem Gericht „äußerst unglaubwürdig“. Beide Angeklagten hätten gewusst, dass es eine Gesetzesänderung brauche. Der Initiativantrag habe ausschließlich der Privatklinik Währing und nicht „dem Interesse aller Privatkliniken in Österreich gedient“.
WKStA: „Schicksalsgemeinschaft“ Straches und Grubmüllers
Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig von der WKStA sagte zuvor in seinem Schlussvortrag, Strache und Grubmüller hätten eine „Schicksalsgemeinschaft“ gebildet. Chats würden „ungeschminkt“ offenlegen, dass sich Strache als FPÖ-Obmann und später als Vizekanzler für Grubmüller „aus wirtschaftlichen Interessen“ verwendet habe.
Dass Strache „geldwerte Vorteile“ versprochen wurden, sei „unzweifelhaft“, sagte Weratschnig. Strache habe gegen das „strikte Sachlichkeitsgebot“ verstoßen. Bezogen auf den Umstand, dass die im Raum stehenden Spenden in Höhe von 2.000 und 10.000 Euro „nicht viel“ seien, sagte der Oberstaatsanwalt: „Jeder Euro ist zu viel.“ Ein Amtsträger habe ausschließlich „saubere Amtsgeschäfte“ zu erledigen.
Korfu-Einladung nicht strafbar
Der Staatsanwalt forderte die Bestrafung Straches. Die Beweise, darunter auch Chatnachrichten, bezeichnete der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer als „sehr dicht“. Ein konkretes Strafmaß forderte er nicht. Laut Staatsanwalt verhalf Strache Grubmüller zu einer vorteilhaften Gesetzesänderung. Auch das Angebot des Unternehmers an Strache, Urlaub auf Korfu zu machen, sei strafbar. Das sah die Richterin anders: Die Einladung nach Korfu – sowie eine beabsichtigte Spende an die FPÖ zur Europawahl 2019 – waren nicht strafbar.
Grubmüller hat „aus Frustration“ an FPÖ gespendet
„Ich erkenne beim besten Willen keine Strafbarkeit“, hielt Verteidiger Grubmüller entgegen. Die 10.000-Euro-Spende sei „hochoffiziell erfolgt“, es sei Walter Grubmüller geradezu darum gegangen, „dass jeder davon weiß“. Er habe damit seiner „massiven Enttäuschung“ über die SPÖ, deren Mitglied er jahrzehntelang war, Ausdruck verleihen wollen. Vorteile im Zusammenhang mit dem PRIKRAF hätten damit „nicht herausgeschlagen werden sollen“, so Helmut Grubmüller.
Sein Bruder habe „aus Frustration“ an die FPÖ gespendet und keinen Gesetzeskauf betrieben: „Er hat nie ein Gesetz gewollt, er hat nie ein Gesetz gebraucht.“ Es sei „überhaupt kein strafrechtliches Substrat vorhanden“, sein Mandant sei freizusprechen.
Strache-Verteidiger: „Keine Rede von strafbarem Verhalten“
Pauer stellte in seinem Schlussplädoyer fest, die Annahmen der WKStA seien „zur Gänze falsch“ und durch das Beweisverfahren widerlegt. Die inkriminierten Spenden an die FPÖ seien nicht im Zusammenhang mit dem PRIKRAF erfolgt, sondern „aus Wut über die SPÖ“. Grubmüller habe Strache unterstützt, weil dieser die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern abschaffen wollte, bezog sich Pauer auf eine entsprechende Chatnachricht.
In einer weiteren Nachricht habe Grubmüller sogar betont, „aus Überzeugung“ gespendet zu haben. „Kein einziger Zeuge hat von einer Einflussnahme meines Mandanten gesprochen“, führte Pauer ins Treffen. Von einem strafbaren Verhalten „kann keine Rede sein“, so der Verteidiger. Das Beweisverfahren habe ergeben, dass Strache nicht bestechlich sei.
Der Prozess war im Juli vertagt worden, weil Hinweise auf eine zweite Parteispende aufgetaucht waren. Die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ platzte im Mai 2019, nachdem das „Ibiza-Video“ veröffentlicht worden war. In den verdeckt gefilmten Aufnahmen sprach Strache über fragwürdige Methoden der Parteienfinanzierung und der politischen Einflussnahme. Strache trat damals infolge des Skandals von seinen politischen Funktionen zurück.
Antikorruptionsvolksbegehren: „Nur ein Anfang“
Reaktionen zum Urteil am Freitag ließen nicht lange auf sich warten. Eine „richtungsweisende Entscheidung“ ortete der frühere Vorsitzende der Internationalen Antikorruptionsakademie, Martin Kreutner, der auch Unterstützer des Antikorruptionsvolksbegehrens ist. Das Urteil sei „nur ein Anfang“, hieß es in einer entsprechenden Aussendung. Die juristische Aufarbeitung des „systematischen Machtmissbrauchs“ in der türkis-blauen Regierungsperiode habe erst begonnen.
„Heute ist ein guter Tag im Kampf gegen die politische Korruption in Österreich“, so Kreutner: „Bestechung und Bestechlichkeit sind ein Gift für jedes Gemeinwesen, denn sie untergraben das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, die Verwaltung und den Rechtsstaat.“ Insofern sei es „erfreulich, dass ein Teil dieses Vertrauens heute wiederhergestellt wurde“.
Krainer rechnet mit weiteren Urteilen bei ÖVP
Für den SPÖ-Fraktionsführer im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss, Kai Jan Krainer, bestätigt das Urteil, dass man „sich unter Türkis-Blau Gesetze kaufen konnte“. „Wenn ÖVP und FPÖ miteinander regieren, gibt es immer und immer wieder nur zwei Stationen: Regierungsbank und Anklagebank“, meinte Krainer. Er rechnet damit, dass das Urteil gegen Strache auch seine Schatten auf weitere anstehende Prozesse gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger und den amtierenden Chef des Finanzressorts, Gernot Blümel (beide ÖVP), werfen wird.
Krainers grünes Pendant Nina Tomaselli sprach von einer „weiteren wichtigen Etappe beim Selbstreinigungsprozess nach ‚Ibiza‘“. Möglich geworden sei diese aufgrund einer starken, unabhängigen Justiz. „Ein funktionierender Rechtsstaat ist ein Korruptionsschutzschild. Die Grünen mit Alma Zadic als Justizministerin werden alles dafür tun, dass das so bleibt“, so Tomaselli in einer Aussendung.
Quelle: APA/Agenturen/ORF https://orf.at/stories/3226403/
Link: https://dietagespresse.com/linke-kuscheljustiz-strache-kritisiert-gericht-nach-mildem-urteil/?
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29. August 2021 „Heimlichkeitsdelikt“ – profil
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