Offener Brief


MAUTHAUSEN KOMITEE ÖSTERREICH

OÖ. NETZWERK GEGEN RASSISMUS UND RECHTSEXTREMISMUS

 Linz, im Jänner 2019

 

Herrn Landeshauptmann

Mag. Thomas Stelzer

per E-Mail

 

Für eine wirksame Bekämpfung des Rechtsextremismus in Oberösterreich!

 

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann!

 

Der letzte Verfassungsschutzbericht bezeichnet rechtsextreme Aktivitäten als „demokratiegefährdende Tatsache“. Unter allen Bundesländern weist Oberösterreich seit Jahren die meisten rechtsextremen Straftaten auf. Von 2014 auf 2017 ist die Zahl von 109 auf 192 gestiegen – also um 76 Prozent. Für 2018 gibt es noch keine Zahl, doch wird wieder eine Steigerung erwartet.

 

Die rechtsextreme Hasskriminalität beschränkt sich keineswegs auf Propagandadelikte wie die Verbreitung von NS-Ideologie oder Verhetzung. Letztere bereiten vielmehr den Boden für Gewaltverbrechen auf. Bekannte Beispiele solcher Verbrechen in Oberösterreich sind der rassistische Mord des „Breivik aus Traun“ (2011, vom Verfassungsschutz als „unpolitischer Nachbarschaftsstreit“ dargestellt), die Neonazi-Mafia „Objekt 21“ (nach Jahren vergeblicher antifaschistischer Hinweise 2013 endlich verhaftet), die drei großen Schändungen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen (2009, 2010 und 2014, alle nicht aufgeklärt), der Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Altenfelden (2016, nicht aufgeklärt) sowie die Schüsse auf das Flüchtlingsheim in Rosenau am Hengstpass (2017, nicht aufgeklärt).

 

Zu den rechtsextremen Straftaten in Oberösterreich gehören immer wieder antisemitische. So wurde 2009 die Neonazi-Parole „Was unseren Vätern der Jud, ist für uns die Moslembrut“ in großen Lettern auf die Außenmauer der KZ-Gedenkstätte Mauthausen geschmiert, 2010 dann die Parole „Türk und Jud, giftig’s Blut“. 2018, kurz vor dem 80. Jahrestag der Pogromnacht, wurde auf ein Hinweisschild beim Eingang des jüdischen Friedhofs in Linz „Cyklon B“ geschmiert – der (falsch geschriebene) Name des Vernichtungsgases der Nationalsozialisten. Auch diese Schändung haben die Sicherheitsbehörden bisher nicht aufgeklärt.

 

Von einer wirksamen Bekämpfung der besonders vielen rechtsextremen Straftaten in Oberösterreich kann leider keine Rede sein. Gerade in jenem Bundesland, in dem sich die KZ-Gedenkstätte Mauthausen befindet, müsste die politische Führung reagieren und ihre demokratische Verantwortung wahrnehmen.

 

Am 19. November 2018 wurde in der Sitzung der OÖ. Landesregierung ein Antrag behandelt, der auf das massive Problem hinwies und dazu einen Runden Tisch aller wesentlichen Institutionen vorschlug. Diesen Antrag haben ÖVP und FPÖ nicht einmal dem Landessicherheitsrat, der Mitte Dezember tagte, zur Behandlung zugewiesen, sondern einfach niedergestimmt. Damit weigert sich die Mehrheit der von Ihnen geführten Landesregierung, den anhaltenden Rekord an rechtsextremer Hasskriminalität in Oberösterreich auch nur zur Kenntnis zu nehmen – von Gegenmaßnahmen ganz zu schweigen.

 

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Noch andere Ereignisse zeigen den höchst fragwürdigen Umgang mit Rechtsextremismus und Antisemitismus in Ihrem Bundesland. Obwohl häufig braune Aktivitäten von Burschenschaften bekannt werden – zuletzt ein konspiratives Neonazi-Konzert der „Germania zu Ried“ – übernehmen Sie alljährlich den Ehrenschutz für den „Burschenbundball“, der die Salonfähigkeit der schlagenden Verbindungen vortäuscht. Und trotz internationaler Proteste war Oberösterreich schon zweimal Schauplatz des rechtsextremen Kongresses „Verteidiger Europas“ – das erste Mal sogar in den Redoutensälen, den Repräsentationsräumen des Landes. Eine unmissverständliche Erklärung der Landesregierung, wonach der Kongress nicht erwünscht ist, fehlt bis heute.

 

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sie selbst haben wiederholt die Notwendigkeit betont, demokratiefeindliche und antisemitische Strömungen wirksam zu bekämpfen – etwa in Ihrer Rede in der Linzer Synagoge am 7. November 2018.

 

Wir Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Offenen Briefes richten an Sie den dringenden Appell, den Worten nun Taten folgen zu lassen: Sorgen Sie bitte für eine wirksame Bekämpfung der vielen rechtsextremen Straftaten und anderer rechtsextremer Aktivitäten in Oberösterreich!

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Wilhelm ACHLEITNER, Träger des Goldenen Verdienstzeichens des Landes Oberösterreich

Renate ANDERL, Präsidentin der Bundesarbeitskammer

Irmgard ASCHBAUER, Vorsitzende der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen 

ATTWENGER, Band (Markus BINDER und Hans-Peter FALKNER)

Nuray BAHCETEPE, stv. Vorsitzende der Welser Initiative gegen Faschismus

Christa BAUER, Geschäftsführerin des Mauthausen Komitees Österreich

Thomas BAUM, Schriftsteller und Träger des Kulturpreises des Landes Oberösterreich

Andreas BAUMGARTNER, Generalsekretär des Internationalen Mauthausen Komitees

Gerhard BAUMGARTNER, Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes

Eva BLIMLINGER, Historikerin und Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz

Ursula BRANDSTÄTTER, Rektorin der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz

Leib BRAVERMAN, Holocaust-Überlebender

Daniel CHANOCH, Überlebender der KZ Mauthausen und Gunskirchen (Häftlingsnummer 124805)

Rachele CHANOCH, Psychologin

Yehudith CHANOCH, Journalistin

Inge DALMA, Vorstandsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft

Guy DOCKENDORF, Präsident des Internationalen Mauthausen Komitees

Helmut EDELMAYR, Träger des Goldenen Ehrenzeichens des Landes Oberösterreich

Heinrich EHLERS, Holocaust-Überlebender

Robert EITER, Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus

Peter FLORIANSCHÜTZ, Erster Präsident der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft

FRANZOBEL, Schriftsteller

Christoph FREUDENTHALER, Vorsitzender des Papa-Gruber-Kreises St. Georgen an der Gusen

Franz FROSCHAUER, Schauspieler und Träger des Bühnenkunstpreises des Landes Oberösterreich

Shlomo GALPARENE, Holocaust-Überlebender

Karl-Markus GAUSS, Schriftsteller

Irit GORDIN, Psychologin

Heimo GRUBER, Beiratsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft

Harald GRÜNN, Bundesvorsitzender des KZ-Verbandes

Yehuda GURWITZ, Holocaust-Überlebender

Shmuel GUTNER, Holocaust-Überlebender

Erich HACKL, Schriftsteller und Träger des Kulturpreises des Landes Oberösterreich

Josef HADER, Kabarettist, Schauspieler, Regisseur und Autor

Roman HEBENSTREIT, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft vida

Miguel HERZ-KESTRANEK, Schauspieler und Autor

Maria HOFSTÄTTER, Schauspielerin

Elfriede JELINEK, Literaturnobelpreisträgerin

Michael JOHN, Historiker und Obmann der Österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz

Günter KAINDLSTORFER, Journalist und Schriftsteller (Günter WELS)

Helene KALTENBÖCK, oö. Landessprecherin der Omas gegen rechts

Reinhard KANNONIER, Rektor der Kunstuniversität Linz

Wolfgang KATZIAN, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes

Arnold KLEBS, Holocaust-Überlebender

Christian KONRAD, Flüchtlingskoordinator a.D. und Vorsitzender von „Menschen.Würde.Österreich“

Martin KRANZL-GREINECKER, Journalist und Initiator der Gedenkstätte „Kinder von Etzelsdorf“

Harald KRASSNITZER, Schauspieler

Ludwig LAHER, Schriftsteller und Träger des Kulturpreises des Landes Oberösterreich

Albert LANGANKE, Träger des Menschenrechtspreises des Landes Oberösterreich

Daniel LEBANOVSKY, Holocaust-Überlebender

David LEITNER, Holocaust-Überlebender

Karl MARKOVICS, Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor

Willi MERNYI, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich

Anna MITGUTSCH, Schriftstellerin und Trägerin des Kulturpreises des Landes Oberösterreich

Wolfgang NEUGEBAUER, Historiker

Cornelius OBONYA, Schauspieler

Yair ORON, Historiker

Elisabeth ORTH, Schauspielerin und Präsidentin der Aktion gegen den Antisemitismus

Andreas PEHAM, Autor und Rechtsextremismus-Experte

Anton PELINKA, Politikwissenschafter

Carolin PIENKOS, Regisseurin

Lucien POLAK, Holocaust-Überlebender

Martin POLLACK, Schriftsteller und Träger des Kulturpreises des Landes Oberösterreich

Wolfgang QUATEMBER, Leiter des Zeitgeschichtemuseums und der KZ-Gedenkstätte Ebensee

Doron RABINOVICI, Schriftsteller

Karl RAMSMAIER, Träger des Menschenrechtspreises des Landes Oberösterreich

Oliver RATHKOLB, Historiker

Itzhak REICHENBAUM, Holocaust-Überlebender

Werner RETZL, Vorsitzender der Welser Initiative gegen Faschismus

Gerhard RUISS, Schriftsteller und Sprecher der IG Autorinnen und Autoren

Uwe SAILER, Träger des Solidaritätspreises der Linzer Kirchenzeitung

Monika SALZER, Psychotherapeutin und Bundessprecherin der Omas gegen rechts

Käthe SASSO, Überlebende des KZ Ravensbrück

Hans-Henning SCHARSACH, Autor und Rechtsextremismus-Experte

Thomas SCHMIDINGER, Politikwissenschafter

Hermann SCHNEIDER, Intendant des Landestheaters Linz

Raffael SCHÖBERL, stv. Bundesvorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend

Susanne SCHOLL, Schriftstellerin und Bundessprecherin der Omas gegen rechts

Shaul SCHPILMANN, Holocaust-Überlebender

Susanne SHAKED, Generalsekretärin der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft

Erwin STEINHAUER, Schauspieler

Katharina STEMBERGER, Schauspielerin

Christian STÖBICH, Vorstandsmitglied der Welser Initiative gegen Faschismus

Katja STURM-SCHNABL, Kulturwissenschafterin und Überlebende eines NS-Lagers

Gunther TRÜBSWASSER, Vorsitzender von SOS Menschenrechte

Israel VISLER, Schriftsteller

Franz VRANITZKY, Bundeskanzler a. D.

Bernhard WEIDINGER, Autor und Rechtsextremismus-Experte

Peter WEIDNER, Beiratsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft

Rainer WIMMER, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft PRO-GE

Peter Paul WIPLINGER, Schriftsteller und Träger der Kulturmedaille des Landes Oberösterreich

Robert ZINTERHOF, Träger des Menschenrechtspreises des Landes Oberösterreich

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