JKU: „So bleiben wir doch treu“
|„…so bleiben wir doch treu“ . So lautet die zweite Zeile des Volks- und Studentenliedes von Max von Schenkendorf, das im Liederbuch der SS an dritter Stelle nach dem Deutschland- und dem Horst-Wessel-Lied zu finden ist. Und mit diesem Spruch warb der „Almuniclub der Kepler Society“.
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Wenn alle untreu werden,
So bleiben wir doch treu,
daß immer noch auf Erden
Für euch ein Fähnlein sei.
Gefährten unsrer Jugend,
ihr Bilder bess’rer Zeit,
Die uns zu Männertugend
und Liebestod geweiht.
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Umstrittenes Inserat der „Kepler Society Alumniclub“
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Der Alumniclub der Kepler Society ist der Absoventenverein der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU). Dieser warb im Programmheft des am 2. Februar 2019 in Linz stattfindenden Burschenbundballes mit eben jener Textzeile, dass das Treue-Lied der SS war. Verantwortlich für dieses Inserat zeichnet der Geschäftsführer der „Kepler Society“ Mag. Johann Pracher, der bei der Universität Linz (JKU) zudem auch angestellt ist und für die FPÖ im Aufsichtsrat der „Creative Region“ sitzt. Nun geht es Pracher an den Kragen.
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Literatur
Aber was heißt es tatsächlich: in Treue zu jemandem stehen?
Schon Novalis (1) (Hymnen an die Macht / Geistliche Lieder) verwendete diese Formulierung in seiner Dichtkunst und hielt fest.
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Wenn alle untreu werden,
So bleib´ich dir doch treu;
Dafs Dankbarkeit auf Erden
Nicht ausgestorben sey
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Novalis – ein enger Gefährt von Friedrich Schiller – stand unter dem Einfluss des Mystikers Jakob Böhme. In Verbindung dieser Weltansicht, versuchte Novalis eine neue Auffassung von Christentum zu erlangen, eine engere Form von Glaube zu Gott aufzubauen, aus denen dann die Lyrik der „Geistlichen Lieder“ entsprang, Lieder, die später auch Bestand der lutherischen Gesangsbücher wurden, so z.B. „Wenn alle untreu werden„, das er vermutlich um 1799 als Verfestigung des Glaubens verfasst hatte. Gedichte von Novalis wurden unter anderem auch von Franz Schubert vertont.
Nun ist es mal so, dass die Nazis schon immer klauten und das Lied von Max von Schenkendorf für sich vereinnahmten. Es wurde zum Treue-Lied der Waffen-SS.
1814 „adaptierte“ Max von Schenkendorf diesen Text im Sinne der Befreiungskriege und drehte ihn zu einem politisch patriotischen Bekenntnis um, den damals schon Burschenschafter begeistert aufnahmen. In der NS-Zeit wurde die Variante Schenkendorfs dann als Treue-Lied der Waffen-SS manifestiert.
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Juristisches
„…so bleiben wir doch treu“ erhebt grundsätzlich keinen Anspruch auf Wiederbetätigung und Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Regimes. Dafür bedarf es eines Vorsatzes . Dass dieser Spruch gesellschaftspolitisch und vor allem demokratiepolitisch verheerend wirkt, zumal dieser in einer Broschüre von Burschenschaftern erschien, die ja nachweislich mit ihrere Ideologie schon damals direkt in den Nationalsozialismus führten, ist nicht zu entkräften. Im Sinne der Demokratie sollte grundsätzlich und allgemein gelten, dass man sich mit Burschenschaften nicht ins Bett legt. Aber daran hält sich nicht einmal der Rektor der JKU, der nun als Moralapostel in dieser Causa gegen den Geschäftsführer des Alumniclubs mit Brachialgewalt vorgeht.
Da juristisch – wohl gemerkt nur juristisch – keine Erfüllung des Tatbestandes aufgrund fehlenden Vorsatzes vorliegt, wird die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren einstellen bzw. zurücklegen müssen. In überschießender Innentendenz wird es wohl da und dort zu massiven Unmutsäusserungen kommen. Aber bedenkt, das Lied entspringt Novalis.
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Dieser Vorfall an der Universität in Linz beweist wieder einmal, dass der rechte Extremismus schon immer aus der Mitte der Gesellschaft kam, weil konservative Kräfte eben diesem Extremismus schon immer zu einem soliden Fundament verhalfen. Als Rektor der JKU einerseits den Empörten zu spielen, aber andererseits den Ehrenschutz für den Ball der Burschenschafter zu geben, zeigt eindeutig, wie verdreht, aber auch wie verlogen die Welt in unserer Heimat ist. Und genau aus dieser Substanz der heutigen Welt entsprang auch einst der Hitlerismus.
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Dieser Vorfall zeigt aber auch, dass nicht alles was rechtsextrem wirkt, auf den Nationalsozialismus reduziert werden darf, schon gar nicht, wenn Kunst für eigene Zwecke der Nazis missbraucht wurde. Versucht hätten sie es auch mit Ludwig van Beethoven und Anton Bruckner, aber das misslang.
(1) Novalis = Georg Philipp Friedrich von Hardenberg / 1772 – 1801
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Link
Auf Wikipedia wird das Lied „Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu“ auch als ein Lied des Widerstandes gegen das nationalsozialistische Regime angeführt. Allerdings dürften diese Ansicht nur die Lebenserinnerungen eines Heinrich Böll bleiben.
http://geschichte-in-liedern.de/Wenn-alle-untreu-werden/
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ORF
13. Jänner 2018
Kepler Society: Anzeige wegen Wiederbetätigung
„So bleiben wir doch treu“ lautet die zweite Zeile des Volks- und Studentenliedes von Max von Schenkendorf, das im Liederbuch der SS an dritter Stelle nach dem Deutschland- und dem Horst-Wessel-Lied zu finden ist. Der Spruch „so bleiben wir doch treu“ ist auch unter einem Foto von drei jungen Männern zu lesen, das in der Ballbroschüre des ohnehin umstrittenen Burschenbundballs zu finden ist. Spruch und Bild sollen den Alumniclub der Johannes Kepler Universität (JKU) bewerben, also den Verein der Absolventen der Linzer Uni.
Thomas Diesenreiter, der Geschäftsführer der Kulturplattform Oberösterreich, sieht in der als Werbeslogan verwendeten Textzeile „besonders im Kontext dieses Hefts ein bewusstes Anbiedern an die rechtsextreme Zielgruppe“, wie er in Facebook schreibt. Neben dem Absolventenverein der JKU zeigte Diesenreiter auch dessen Vorstandsvorsitzenden und dessen Geschäftsführer bei der Oberstaatsanwaltschaft Linz an.
Rektor Lukas distanziert sich
Das Inserat der Kepler Society sei inakzeptabel und widerspreche diametral der Haltung der Johannes Kepler Universität, reagierte am Sonntagnachmittag der Rektor der JKU, Meinhard Lukas: „Unsere Universität steht seit ihrer Gründung für Offenheit und Pluralität. Eine antifaschistische Gesinnung ist Teil der DNA der JKU. Eine solche unmissverständliche Haltung erwarten wir auch von den Repräsentanten jener Organisationen, die so wie die Kepler Society der JKU nahestehen.“
Dienstrechtliche Schritte angekündigt
Lukas ersuchte laut Aussendung auch den Vorstandsvorsitzenden der Kepler Society, einen kommissarischen Geschäftsführer einzusetzen und den anstehenden Neujahrsempfang der Kepler Society abzusagen. Daneben kündigte der Rektor dienstrechtliche Schritte an, weil der Geschäftsführer der Kepler Society bei der Universität angestellt ist.
Quelle: https://ooe.orf.at/news/stories/2958450/
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Links
https://derstandard.at/2000096098020/Inserat-mit-SS-Liedtext-in-Heft-des-Linzer-Burschenbund-Balls
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Nachtrag
14. Jänner 2019
Der Geschäftsführer habe zwar in der Vergangenheit viel für den Absolventenverein geleistet, das Inserat für den Burschenbundball mache aber eine weitere Zusammenarbeit unmöglich, sagte Uni-Rektor Meinhard Lukas am Montag. Dienstagabend findet eine außerordentliche Sitzung des Vorstands der Kepler Society statt. Hier werden auf Wunsch von Lukas weitere Konsequenzen beraten.
Quelle: https://ooe.orf.at/news/stories/2958450/
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Leserbrief Salzburger Nachrichten
15. Jänner 2019
Raimund Lang, D-22889 Tangstedt bei Hamburg
Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin kein Burschenschafter, bin es nie gewesen und möchte es auch nicht werden.
Dennoch finde ich die Diktion empörend, in der über das Lied „Wenn alle untreu werden …“ geurteilt wird, woraus ein Vers letzte Woche in einem Linzer Inserat zitiert wurde.
Der Text entstand 1814 und stammt von dem Freiheitsdichter Max von Schenkendorf, an den in seiner Heimatstadt Koblenz an prominenter Stelle ein Denkmal erinnert. Er beruft sich mit diesem Text auf ein Gebet (!) des Novalis. Was Schenkendorf anmahnt, ist die Treue an die Ideale des 1808 gegen Napoleon gegründeten „Tugendbundes“, die nach der Leipziger Völkerschlacht zu verflachen drohten. Er warnt vor einer drohenden Restauration, wie sie in Frankreich bereits im Gange war und bald durch den Wiener Kongress bestätigt wurde.
Kurioserweise endet das Lied mit einem Bekenntnis zum Heiligen Römischen Reich, was in unserer Gegenwart wohl kaum als politische Bedrohung gelten kann, schon gar nicht als faschistische. Als sich die nationalsozialistische SS dieses Lied – mit geringfügigen Änderungen – zu Eigen machte, war es bereits seit mehr als hundert Jahren Kulturgut.
Aus diesem Grund, und in Kenntnis seiner geschichtlichen Bedeutung, wurde es auch nach 1945 in katholischen Studentenverbindungen gesungen, deren Gründerväter teils in nationalsozialistischen Konzentrationslagern gelitten haben. Sind wir heute wirklich verpflichtet, alles, was sich die Nationalsozialisten angeeignet haben, für tabu zu erklären?
Muss die bedeutende Familie Carlsberg folglich ihr altes Familiensymbol, die Swastika, die einem in Kopenhagen vielerorts begegnet und als Glücks-Symbol galt, beseitigen? Macht sich die deutsche SPD der Wiederbetätigung schuldig, wenn sie – wie in Nachrichtensendungen des öffentlichen Fernsehens zu sehen – bei ihren Parteitagen stehend das Lied „Wenn wir schreiten Seit‘ an Seit'“ singt, das im Liederbuch der SS auf Seite 45 zu finden ist?
Wem diese Fragestellungen missfallen, den verweise ich auf einen völlig unverdächtigen Zeugen, den Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll, der in seinem autobiografischen Buch „Was soll aus dem Jungen bloß werden“ (dtv-Taschenbuch-Ausgabe S. 93, 2. Absatz) schildert, wie er zusammen mit seinem kommunistischen (!) Freund Caspar Markard das Lied „Wenn alle untreu werden“ gegen (!) die Hitlerjugend ansang.
Muss ihm nun posthum der Nobelpreis aberkannt werden? Ich bekenne mich voll und ganz zu einer antifaschistischen Haltung, was aber die Exegeten jenes Inserates derzeit bieten, empfinde ich als Verbissenheit, die mir eher nach historischer Ignoranz und ideologischer Gefallsucht schmeckt.
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Nachtrag
Linzer Rundschau
20. Jänner 2019
Es ist an der Zeit, untreu zu werden
Dass die Kepler Society im Sponsorenheft des Burschenbundballs mit einem Zitat aus dem SS-Treuelied wirbt, ist ein Skandal: eine offensichtliche Anbiederung an eine extrem rechte Zielgruppe. Gut, dass JKU-Rektor Meinhard Lukas in Abstimmung mit dem Kepler Society-Vorstand so rasch und konsequent reagiert hat, um weiteren Schaden von der Universität abzuwenden. Was aber zu wenig beachtet wird: Anders als Lukas dürfen die Ball-Organisatoren kein Problem mit dem Inserat in ihrer Broschüre gehabt haben. Sonst hätten sie selbst bei der Kepler Society interveniert. Demzufolge hat der Werbetexter die Zielgruppe anscheinend richtig eingeschätzt. Da Lukas es mit der „antifaschistischen Kern-DNA der JKU“ offensichtlich ernst meint, sollte er konsequenterweise auch den Ehrenschutz für den umstrittenen Ball zurücklegen.
Quelle: Rundschau Linz vom 20. Jänner 2019 (print)
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