Irgendwie stimmen die Argumente


„Diskutieren wir über den Sinn und Unsinn von linken Protesten. Aber bitte mit den richtigen Argumenten“

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01. Dezember 2016

Ein Beitrag von Offensive gegen Rechts (OGR) übernommen von
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Anti-Hofer Kundgebungen, die Wahl und der kommende Kampf

Eine Stellungnahme der Offensive gegen Rechts

Als der deutschnationale Burschenschafter Norbert Hofer die erste Wahl zum Amt des Bundespräsidenten gewonnen hat, war das Entsetzen groß. Als Offensive gegen Rechts kündigten wir noch am selben Tag eine Kundgebung gegen Norbert Hofer an, der Zuspruch war enorm. Ein paar Wochen später war alles anders. Ein Social-Media-Shitstorm verunsicherte unzählige Menschen und hielt sie davon ab, auf die Straße zu gehen.

Die Tragödie ist zur Farce geworden. Einen Tag vor dem kommenden Wahlgang soll eine Demonstration gegen Hofer stattfinden, das Entsetzen ist gleichgeblieben. Als Offensive gegen Rechts haben wir uns dazu entschieden, keine weitere Kundgebung vor der Wahl zu organisieren, wir rufen auch nicht zu dieser Demonstration auf und teilen einige Kritikpunkte. Als breites linkes Bündnis war und ist es uns ein Anliegen, breite antifaschistische Proteste auf die Beine zu stellen, Ressourcen zu bündeln und die üblichen innerlinken Schaukämpfe zumindest punktuell in den Hintergrund zu schieben. Daher sehen wir keinen Mehrwert in der geplanten „F*ck Hofer“-Demonstration.

Trotzdem sehen wir uns zu einer Stellungnahme gezwungen. Denn die Argumente, die in diesem Kontext gebracht werden, treffen auch uns. Sie haben uns nicht nur getroffen, als wir eine Kundgebung gegen Norbert Hofer organisiert haben, sie kommen immer wieder auf, egal um welche Proteste es sich handelt. Noch einmal: Über die Wahl des Slogans, die Zeitlichkeit und die öffentliche Botschaft der Demo am Samstag soll diskutiert werden, aber nicht so.

Denn die auch jetzt wieder vernehmbaren Klagen bedienen sich stets der gleichen Logik und sind wohl schon älter, als das verfassungsmäßg garantierte Versammlungsrecht. Demonstrationen würden nur den Rechten helfen, dem Boulevard die gewünschten Fotos liefern und den rechten HetzerInnen die notwendigen Argumente liefern. Die breite Masse würde durch linkes Auftreten abgeschreckt und in die Hände der RassistInnen getrieben werden.

Wir halten eine solche Argumentation nicht nur für falsch, sondern für extrem gefährlich. Es erscheint uns geradezu als abenteuerlich, die Ursachen für den rechten Wahlerfolg in linkem Aktivismus zu suchen. Die rechten HetzerInnen und ihre Verbündeten im Boulevard werden stets ihr Futter finden, um gegen Linke zu hetzen. Ob es nun ein umgefallener Mistkübel ist, die angebliche kommunistische Weltverschwörung des Van der Bellens, familien-zerstörenden Frauenhäuser, oder sonstiger Unfug. Auf dieses Spiel brauchen wir uns nicht einlassen, denn wir gestalten hier nicht die Spielregeln.

Das erübrigt natürlich nicht die Frage, welche Strategien im Kampf gegen Rechts notwendig sind. Diese Diskussion ist notwendiger denn je. Norbert Hofer wäre der erste deutschnationale Burschenschafter als Bundespräsident und das würde entsprechende Auswirkungen haben. Nicht weil das Amt des Bundespräsidenten aus unserer Sicht derart bedeutend ist, sondern vielmehr weil es ein weiterer Schritt zur Normalisierung des Rechtsextremismus wäre. Umso wichtiger ist es, einen kühlen Kopf zu bewahren und die wahren Ursachen des rechten Aufstieges klar zu benennen. Egal wie die Wahl ausgeht. Egal ob vor der Wahl, oder nach der Wahl.

Über Jahrzehnte hinweg dominierte die neoliberale Kürzungslogik mit vermeintlicher Alternativlosigkeit. Die Schere zwischen Arm und Reich geht zunehmend auseinander. Die rechte Hetze schließt hier an und macht Flüchtlinge, AsylwerberInnen, muslimische Menschen oder jede andere beliebige Minderheit zu Sündenböcken. Während Teile der Medien auf diesen Zug aufgesprungen sind, kann die herrschende Politik dem nichts entgegensetzen. Es nutzt und hilft nichts, wenn Parteien zwar offiziell gegen weitere Kürzungen argumentieren, während der wenig später auf Druck von Reichen, Konzernen und ihren Lobbys erfolgende „Umfaller“ so sicher ist wie das Amen im Gebet.
 
Es gibt aber noch einen fataleren Fehler:

Seit Jahren versucht man, den Rechten den Wind aus den Segel zu nehmen, indem man sich auf jede identitätspolitische Diskussion einlässt und Stück für Stück dieser Hetze nachgibt. Man glaubt, wenn man Teilforderungen der FPÖ umsetzen würde, dann würde man die FPÖ stoppen. Man glaubt, man würde den Rechten keine Argumente liefern, wenn man sich so verhält, wie es sich diese wünschen. Man glaubt, die Menschen wären nicht in der Lage, linke Positionen anzunehmen, weil diese zu „radikal“ wären.
 
Ergebnis ist die Tatsache, dass es damit kein glaubwürdiges linkes Angebot gibt und nur die Rechten in ihrem vermeintlichen Kampf gegen das neoliberale „Establishment“ übrig bleiben. Ständig wird versucht, so wenig „links“ wie möglich zu wirken, anstatt klare Positionen zu formulieren und mit diesen die Menschen zu überzeugen. Denn tatsächlich würde es eines brauchen: Die bedingungslose Solidarität mit jenen Menschen, die von Armut, Arbeitslosigkeit, Kürzungen und vielem mehr betroffen sind. Die bedingungslose Absage an hetzerische „Integrationsdebatten“ und die Beendigung der rassistischen „Debatte“ um Flüchtlinge. Eine klare Benennung der wahren gesellschaftlichen Bedrohung: Der Rechtsextremismus und die ihn alimentierende, selbst nach einem Jahrzehnt Bankenkrise ungebrochene, neoliberale Kürzungslogik. Die Wahrheit ist den Menschen zuzutrauen, man muss sie aber auch aussprechen

Wir wollen die aktuelle VdB-Wahlkampagne nicht bewerten. In der nackten Angst um einen möglichen Hofer-Wahlsieg werden wir jedoch nicht in Panik verfallen. Gabalier-Style und Plakate mit einem Ozean aus Österreich-Fahnen können eine Taktik sein, eine inhaltliche Annäherung an rechte Positionen, um das konservative Lager anzusprechen, halten wir jedoch für falsch. Dass Van der Bellen beispielsweise kein Problem mit dem rechtsextremen Burschenschafterball in der Hofburg hat, kritisieren wir genau so wie sein Verständnis gegenüber der Mindestsicherungs-Verelendungspolitik der niederösterreichischen Landesregierung. Im vergangenen Wahlkampf hat sich Van der Bellen wohl von ziemlich allem stärker distanziert als von Norbert Hofer.

Natürlich hoffen wir auf eine blaue Wahlniederlage am Sonntag, das müssen wir nicht betonen. Natürlich müssen wir alle Chancen nutzen, Norbert Hofer als Bundespräsident zu verhindern. Wir lehnen jedoch das Zurückweichen gegenüber dem rechten Lager ab. Jeder Schritt, der in diese Richtung in der Vergangenheit gemacht wurde, ist ein Schritt zu viel. Vor allem ist es ein Schritt, der nur Norbert Hofer hilft.

Umso wichtiger ist es, in Zeiten wie diesen sich an vergangene Kämpfe zu erinnern. ArbeiterInnenrechte, Frauenrechte, Sozialrechte und demokratische Rechte wurden nicht von oben „gegeben“, sondern von unten erkämpft. Kaum eine dieser Auseinandersetzungen konnte auf Unterstützung von den Medien und der herrschenden Politik hoffen. Trotzdem wurden sie durchgesetzt und von Menschen erkämpft, die zu ihrer Zeit meist als „radikal“ verunglimpft wurde. Nicht die Menschen sind das Problem, sondern die falsche Politik.
Wir rufen auch dieses mal trotz allem auf zu einer gültigen Stimme gegen Norbert Hofer.

Diskutieren wir über den Sinn und Unsinn von linken Protesten. Aber bitte mit den richtigen Argumenten.

Nie wieder Faschismus.
Nie wieder Krieg.


#Offensive gegen Rechts, #OGR,  #Norbert Hofer,  #Demonstration, #Linkswende,

 

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