AfD hoffnungslos zerstritten?
|Rechts, rechter, AfD? Partei zersplittert an Antisemitismus-Streit
http://kurier.at/politik/ausland/deutschland-rechts-rechter-afd-partei-zersplittert-an-antisemitismus-streit/208.293.924
Evelyn Peternel 06.07.2016, 16:56 7 Shares
Der eigentliche Auslöser des Streits war am Mittwoch nur mehr eine Randfigur. Dass Wolfgang Gedeon, Mediziner, Autor und einer von 23 AfD-Mandataren im Landtag Baden-Württembergs, geschrieben hatte, dass es eine „freimaurerisch-zionistische Weltverschwörung“ gebe, dass „Juden der innere Feind des christlichen Abendlands“ seien, war da beinahe vergessen – die große Bühne gehörte zwei anderen: Jörg Meuthen und Frauke Petry.
Stundenlang und unter gewaltigem Medienrummel berieten die Bundesparteichefs der AfD hinter verschlossenen Türen darüber, wie mit Gedeon zu verfahren sei. Herauskam dabei aber lediglich ein offener Bruch: Meuthen, der die Partei seit einem Jahr mit Petry führt und zeitgleich auch Fraktionschef in Stuttgart ist, wollte Gedeon eigentlich aus der Fraktion werfen. Weil einige seiner Abgeordneten sich querstellten, sich dazu auch noch seine Ko-Chefin Petry vermittelnd in die Sache einmischte, zog er die Reißleine: Am Mittwoch gründete Meuthen eine neue Landtagsfraktion – gegen den Willen Petrys. Künftig sitzt in Stuttgart die „Alternative für Baden-Württemberg“ neben der „Alternative für Deutschland“.
Kein inhaltlicher Streit
Dass sich manch hämischer Beobachter da an Monty Pythons „Volksfront von Judäa“ erinnert fühlt, ist wenig verwunderlich. Denn um die Sache – Gedeons Äußerungen – ging es in dem Streit ohnehin nie. Petry und Meuthen sind schon lange in einen Machtkampf verwickelt; und je näher die Bundestagswahl 2017 rückt, desto härter wird es für Petry. Die Sächsin hat im Bundesvorstand kaum mehr Unterstützer, man wirft ihr vor, „eigenmächtig“ und „charakterlos“ zu agieren – womit auch die Kontakte zu FPÖ-Chef Strache und FN-Chefin Le Pen gemeint sind.
Die inhaltliche Ausrichtung ist dabei aber völlig nebensächlich – das zeigt sich auch am Fall Gedeon. Meuthen, der im Gegensatz zu Petry zum wirtschaftsliberalen Flügel der Partei zählt und lange das „moderate“ Gesicht der Partei war, hat selbst kaum Berührungsängste: Er zögerte lange, Gedeon aus der Fraktion zu drängen; zu groß war die Furcht davor, potenzielle Wähler zu verprellen. Und im Machtkampf mit Petry scheut er auch nicht den Kontakt mit dem Rechtsaußen-Lager um Björn Höcke und Alexander Gauland, die beide gegen die Parteichefin opponieren – Letzterer strafte sie für ihre „massive Einmischung in den Landesverband“ ab; sie meinte trotzig, dass es trotz Abspaltung nur eine „wahre AfD“ gebe.
Ob sich die Partei damit einen Gefallen tut, muss sich erst weisen. Vorerst merkt man von einem Negativ-Effekt wenig: In Mecklenburg-Vorpommern, wo im September die nächste Wahl ansteht, liegt sie bei 19 Prozent.
screenshot von facebook Frauke Petry vom 6. Juli 2016, 18:12 Uhr
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Auch der ORF berichtet über die massiven Streitigkeiten innerhalb der AfP und über deren Spaltung:
Quelle: http://orf.at/stories/2348351/2348358/
Spaltung mit Folgen
„Dies ist die AfD-Fraktion Baden-Württemberg“, sagte Petry. „Wir sind die AfD“, betonte hingegen Meuthen, der mit Petry auch die Doppelspitze der Partei bundesweit bildet. Beide Seiten forderten sich gegenseitig auf, in die jeweils andere Fraktion einzutreten.
Streit über antisemitische Äußerungen
Auslöser des Streits ist der wegen antisemitischer Äußerungen umstrittene AfD-Politiker Wolfgang Gedeon, er hält unter anderem das Leugnen des Holocaust für eine legitime Meinungsäußerung. Meuthen hatte am Dienstag zusammen mit zwölf anderen Abgeordneten die AfD-Fraktion verlassen, nachdem der Ausschluss Gedeons gescheitert war. In einer Fraktionssitzung hatten sich zehn von 23 Abgeordneten der Forderung nach einem Ausschluss Gedeons nicht angeschlossen, wodurch die notwendige Zweidrittelmehrheit verfehlt wurde.
Petry griff ein
Gedeon erklärte später allerdings selbst seinen Fraktionsaustritt. Als er das öffentlich machte, wurde er von AfD-Chefin Petry begleitet. Sie gab an, den Parteikollegen zu diesem Schritt bewogen zu haben. Petry begrüßte den Austritt Gedeons aus der Landtagsfraktion. „Wir dulden keinen Antisemitismus in unseren Reihen“, schrieb sie in einer persönlichen Erklärung auf ihrer Facebook-Seite. „Der Austritt von Herrn Gedeon war deshalb der einzig richtige Schritt.“ Mit dem Abgang Gedeons sei die Sache erledigt, meinte Petry.
Das Eingreifen Petrys in Stuttgart sorgt derweil in der Bundespartei für Unmut. Parteivize Alexander Gauland sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, er glaube nicht, dass es „zielführend“ gewesen sei, dass Petry ohne Kenntnis Meuthens dort eingegriffen habe. Er räumte ein, dass die Vorgänge in Stuttgart der Partei „nicht gutgetan“ hätten.
Verhältnis zerrüttet
Meuthen hatte auch versucht, ein Eingreifen Petrys zu verhindern. Der Versuch, ihr ein Hausverbot in Landtagsgebäuden zu erteilen, scheiterte. Das Verhältnis von Meuthen und Petry gilt seit Langem als schwierig. Der Volkswirt galt zunächst als Hoffnung des liberal-konservativen Flügels der Partei.
Doch nach und nach pflegte er auch gute Kontakte zu Gauland und Björn Höcke, dem Rechtsaußen aus Thüringen, die beide schon länger am Stuhl Petrys sägen. Vom Ergebnis eines Vieraugengesprächs der beiden Parteichefs am Mittwoch wurde zunächst nichts bekannt.
Appell für Schweigeverordnung
Dass es hinter den Kulissen wohl hoch hergeht, lässt eine Empfehlung von Thüringens AfD-Fraktions- und Landeschef Höcke erahnen: Er rät seiner Partei angesichts des Führungsstreits zu einer Art Schweigeverordnung. Er rege an, dass der Bundesvorstand „ein grundsätzliches und allgemeingültiges Pressemoratorium“ ausspricht, erklärte Höcke am Mittwoch in Erfurt. Er werde sich in den Medien nicht weiter zur Situation der AfD äußern, kündigte er zugleich an.
Verhärtete Fronten und unklarer Status
Völlig unklar ist auch, wie es in Stuttgart selbst weitergeht. „Wir haben eine Fraktionsbildung gemacht, wir werden jetzt mit den neun Abgeordneten in der alten AfD-Fraktion reden“, sagte Meuthen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“, Online-Ausgabe). Er werde versuchen, noch weitere Abgeordnete zum Wechsel zu bewegen. Meuthen schloss eine Rückkehr seiner Gruppe zur bisherigen Fraktion aus. „Ich halte den Rücktritt vom Rücktritt für überhaupt keine sinnvolle Option.“
Nach Auskunft des baden-württembergischen Landtags darf es keine zwei Fraktionen gleichen Namens im Parlament geben. Die Landtagsverwaltung will nun nach Angaben eines Sprechers prüfen, ob die Gründung einer neuen Fraktion möglich ist. Es gebe das Verbot der Fraktionsvermehrung. Es müsse nun geprüft werden, ob dieses in diesem Fall greife oder nicht. Sollten weitere AfD-Abgeordnete die ursprüngliche Fraktion verlassen, steht zudem deren Fraktionsstatus auf dem Spiel. Eine Fraktion muss nach Angaben des Landtags mindestens sechs Mitglieder haben.