Polizei und der Nationalsozialismus


Letzte Woche brachte der Online-Blog  „Stoppt die Rechten“ einen  Beitrag über einen Polizeibeamten, der wegen Wiederbetätigung verurteilt wurde.  In seiner Verantwortung führte der Beschuldigte aus, dass ihm nationalsozialistische Devotionalien großteils geschenkt wurden. „Stoppt die Rechten“ stellt sich – leicht zynisch-  zu Recht die Frage, wie es faktisch möglich gewesen sein konnte, dass seinen früheren Arbeitskollegen diese politische Einstellung des 64-jährigen Unterländer so lange verborgen geblieben war.

Eine der Gründe findet sich sicherlich in der mangelhaften Aufarbeitung der nationalsozialistischen Ära in der Gesellschaft. Der Beschuldigte rechtfertigte sein Handeln geradezu geschichtsbildhaft, wenn er dem Gericht gegenüber meinte: „Ich bin familiär geprägt, mein Vater war in Hitlers Leibstandarte“.

Wir haben uns weiter auf die Suche begeben und wollen nun das Thema „Nationalsozialismus und Polizei von 1945 bis heute“ näher erörtern. Der Vorsitzende der AUF, Werner Herbert, FPÖ-Bundesrat und gelernter Kriminalbeamte, verzieht mit schöner Regelmäßigkeit seinen Mund, wenn es um Themen geht, wie Rassismus in der Polizei, oder um Schwerarbeit bei der Polizei und er diese Thematik just mit einem Bild eines KZ-Insassen (Etienne van Ploeg – Zwangsarbeiter im Konzentrationslager)  veranschaulichen will.

Mit dem ehemaligen Polizeidirektor von Salzburg, Hofrat Mag. Johann Biringer sind wir erschreckend fündig geworden. Besonders ein Beitrag interessierte uns außerordenlich.   „Der Wille zum aufrechten Gang“ von Wolfgang Neugebauer und Peter Schwarz, der hier  abgerufen werden kann.  In diesem Beitrag heißt es wörtlich:

 

Johann Biringer
Der Verlauf der beruflichen Laufbahn des Salzburger Juristen Mag. Johann (Hans) Biringer erscheint nur auf den ersten Blick schwer begreiflich.198 Die massive Unterstützung seitens der SPÖ und des BSA machte möglich, wovon andere Beamte nur träumen konnten. Ohne gezielte parteipolitische Protektion wäre auch für das vormalige SA- und SS-Mitglied Biringer ein so rasanter Aufstieg im Polizeidienst, der ihn innerhalb von zwei Jahrzehnten an die Spitze der Bundespolizeidirektion Salzburg brachte, ein Traum geblieben. Biringer war beileibe nicht der einzige Repräsentant der „Ehemaligen” in der Bundespolizeidirektion Salzburg, für diese hatte er hinsichtlich der Einstellung, die formelle Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie konsequent für die Karriereplanung zu nutzen, geradezu Modellcharakter.199

 

Biringer wurde am 2. März 1920 in Maria Schmolln im Bezirk Braunau/Oberösterreich geboren. Ab 1932 besuchte er das humanistische Stiftsgymnasium Wilhering bei Linz, das 1938 von den neuen NS-Machthabern geschlossen wurde. Deshalb wechselte er an das Staatsgymnasium Freistadt, wo er im Herbst 1939 sein Abitur ablegte. Biringer konnte offensichtlich den „Anschluss” Österreichs an Hitler-Deutschland nicht mehr erwarten. Vom 1. März 1938 an war der fast Achtzehnjährige in der SA als Scharführer tätig, als solcher nahm er mit seiner Formation noch im selben Jahr am Reichsparteitag der NSDAP teil.200 Im Oktober 1940 trat er aus der römisch-katholischen Kirche aus und bezeichnete sich fürderhin – dem Beispiel vieler konfessionsloser Nationalsozialisten folgend – als „gottgläubig”, eine Vorgangsweise, die nur den Angehörigen der „arischen Rasse” möglich war. Nach dem Kriegsausbruch meldete er sich am 27. September 1939 – seinen eigenen Angaben zufolge – freiwillig zur SS-Verfügungstruppe, der späteren Waffen- SS. Nach Absolvierung einer mehrwöchigen militärischen Grundausbildung in Wien wurde er zur 4. Kompanie des Feld-Regiments „Der Führer” der SS-Division „Das Reich” versetzt. Mit dieser Einheit machte er auch die Feldzüge nach Holland, Belgien, Frankreich, Jugoslawien und Russland mit, zuletzt als Truppenführer der schweren Granatwerfer.201 Im Juni 1941 war seine Einheit an „Säuberungsaktionen” in der Region Minsk beteiligt. Nach dem Abzug seiner Einheit aus Minsk blieben 920 Leichen zurück, die Opfer waren großteils Juden und Partisanen.202 Es konnte allerdings nicht der Beweis erbracht werden – und die Autoren unterstellen das auch nicht –, dass Biringer persönlich an diesem Massaker mitgewirkt hatte. Seine Leistungen an der russischen Front wurden aber gleich dreifach ausgezeichnet, zunächst mit seiner Beförderung zum SS-Rottenführer im Oktober 1941 und schließlich mit der Verleihung des Eisernen Kreuzes II. Klasse und des Infanterie-Sturmabzeichens. Im September 1941 wurde er an die SS-Junkerschule Braunschweig abkommandiert, die er allerdings aufgrund einer Kropferkrankung nach kurzer Zeit verlassen musste.203 Während seines Aufenthalts in der Genesungskompanie erhielt er Studienurlaub, in dessen Rahmen er Rechtswissenschaften an den Universitäten Graz und Prag studierte.

 

1945 geriet Biringer in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde als SS-Angehöriger im Lager Nürnberg-Langwasser interniert. Zusammen mit anderen SS-Kameraden verfasste er eine „Eingabe an den Generalsekretär des Internationalen Militärgerichtshofs in Nürnberg”, in der die Waffen-SS verharmlosend als bloß militärische Einheit charakterisiert und der Wehrmacht gleichgesetzt wurde: „Die Angehörigen der Waffen-SS haben […] nur ihrer jedem Deutschen obliegenden Wehrpflicht genügt und damit lediglich ihrem Vaterlande als Soldaten gedient wie andere deutsche oder alliierte Soldaten auch.”204 Der Internationale Militärgerichtshof erklärte jedoch die Waffen-SS als Teil der SS zu einer verbrecherischen Organisation. Dieses Urteil dürfte Biringer allerdings nicht sehr beeindruckt haben, wie seine weitere Lebensgeschichte zeigt. Nach der Freilassung aus der russischen Kriegsgefangenschaft, in die er von den Amerikanern überstellt worden war, absolvierte er 1946/47 die Gerichtspraxis und arbeitete anschließend als Konzipient bei einem Anwalt.205 1951 schloss sich Dr. Johann Biringer der SPÖ-Landesorganisation Salzburg an. Noch im selben Jahr trat der Sohn eines Gendarmeriebeamten in den Polizeidienst ein. Zwei Jahre später – im Februar 1953 – wurde er Mitglied der Vereinigung der Sozialistischen Juristen Österreichs, einer Teilorganisation des BSA. Mit SPÖ- und BSA-Rückenwind stand ihm als Polizeijuristen eine glänzende Karriere bevor, die ihn vom Beamten der Kriminalabteilung bis in das Amt des Direktors der Polizeidirektion Salzburg führte, das er von 1972 bis 1985 ausübte. Der vom Polizeioberrat zum Hofrat beförderte „Law-and-Order-Mann” Biringer erwarb sich als Salzburger Polizeichef sehr rasch den Ruf eines Hardliners, dessen Polizei durch Prügeleien und Körperverletzungen wiederholt in die Schlagzeilen geriet. Biringer selber schien bei der Behandlung der Salzburger Bürger mit zweierlei Maß zu messen: Gegen antifaschistische Demonstranten bzw. linke Studenten ließ er seine Polizei oftmals hart und rücksichtslos eingreifen. Dabei konnte es nach Biringer vorkommen, dass „bei Amtshandlungen, zum Beispiel Verhaftungen, […] schon manchmal Knochen brechen.” Die Ursache dafür liege in der „Knochenstruktur”, die „nicht bei allen Menschen gleich” sei.206 Prominentestes Opfer der in der Ära Biringer bekannt gewordenen Polizeiübergriffe in Salzburg war kein Geringerer als der international renommierte österreichische Schriftsteller Peter Handke, der im Februar 1985 von einer Polizeistreife festgenommen und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angezeigt wurde. Als Biringer die Vorgangsweise seiner Polizei trotz beachtlicher Medienkritik rechtfertigte, nannte ihn Handke anschließend einen „alpenländischen Folterknecht”207, woraufhin Biringer mit einer Ehrenbeleidigungsklage reagierte.

 

Bei rechtsextremen Veranstaltungen demonstrierte Biringer hingegen teils tolerante Zurückhaltung, teils offen zur Schau gestellte Sympathie. Als die 1975 vom stadtbekannten NDP-Funktionär Fritz Rebhandl organisierte Ausstellung „Der Tod von Dresden” vom Salzburger Uni-Rektor wegen „eindeutiger Rechtfertigung und Verherrlichung des vergangenen NS-Regimes” vom Boden der Universität verwiesen wurde, erblickte Biringer darin eine Gefährdung des Rechtsstaates: „Schön langsam zweifle ich an der Demokratie.”208 1976 trat er gemeinsam mit dem NPD-Journalisten Erich Kernmayr als Ehrengast bei einer Festveranstaltung der „Wohlfahrtsvereinigung der Glasenbacher” auf, einer rechtsextremen Gemeinschaft ehemaliger Nationalsozialisten, die nach dem Kriegsende im amerikanischen Internierungslager Glasenbach bei Salzburg („Camp Marcus W. Orr”) inhaftiert worden waren.209 In voller Uniform als Polizeidirektor nahm Biringer ebenso an der alljährlichen Kranzniederlegung der Kameradschaft IV zu Ehren der gefallenen SS-Angehörigen auf dem Salzburger Kommunalfriedhof teil, einem von Alt-, Neonazis und Rechtsextremen gepflogenen Ritual, das erstmals zu Allerheiligen 1954 – damals noch unter den Augen der US-Besatzungsmacht – stattgefunden hatte.210 Mit Jahresende 1985 beendete Biringer seinen Dienst als Polizeidirektor und trat in den Ruhestand. Auch in der Pension pflegte er den Kontakt zu seinen ehemaligen SS-Kameraden, zur Sozialdemokratie schien er zunehmend auf Distanz zu gehen. Als Mitglied der Kameradschaft IV211, eines rechtsextremen Veteranenvereins ehemaliger SS-Angehöriger, setzte er seine Besuche bei den jährlichen SS-Totenfeiern in Salzburg fort, die Ende der neunziger Jahre immer mehr zur Zielscheibe der medialen Kritik und des öffentlichen Protestes wurden.212

 

Höchstwahrscheinlich hatte Biringer als ehemaliger SS-Angehöriger die Tatsache als besonders ehrenrührig empfunden, dass am 1. November 1997 als Gegenveranstaltung zum usuellen SS-Veteranentreffen erstmals eine Gedenkfeier für die von der SS ermordeten Deserteure abgehalten wurde.213 Im Dezember 1997 trat Biringer aus dem BSA aus.214Die Zugehörigkeit zum BSA hatte ihren Zweck erfüllt, sie war zu diesem Zeitpunkt für Biringer nicht mehr vonnöten und stand seinem Engagement für die Kameradschaft IV im Wege. Rückblickend darf wohl der Schluss gezogen werden, dass Biringer sich der Sozialdemokratie offensichtlich nur aus Opportunitätsgründen genähert hatte, dass es in seinem Innersten tatsächlich zu keiner vollständigen Abkehr von seiner NS-Vergangenheit und zu einer Wandlung hin zu einem aufrechten Demokraten gekommen war.215 Diese Entwicklung Biringers spiegelt aber auch das Versäumnis des BSA wider, sich niemals wirklich um einen Gesinnungswandel der „Ehemaligen” in seinen Reihen bemüht zu haben, ein Versäumnis, dessen bittere Konsequenz den BSA auch noch ein halbes Jahrhundert nach seiner Gründung empfindlich zu treffen vermochte.

 

Quelle:
http://blatt.htu.tugraz.at/hintergrund/?doc=bsa041221


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