So wahr uns Bot helfe
|Eine Geschichte über pseudointelligente Chat-Maschinen, die bald auch bei uns in Wahlkämpfe eingreifen werden. H.C. Strache hat sie noch nicht, aber Putin (Russland) oder Trump (USA) nutzen diese bereits millionenfach, die Bot-Maschinen.
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Unter dem Titel „So wahr uns Bot helfe“ berichtete das Magazin „Trend“ Anfang Oktober über ein Phänomen der Meinungsmanipulation . Es ist das ein Phänomen, mit dem sich auch „dahamist.at“ schon seit Längerem beschäftigt.
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Am Anfang stand der Urlaut, die Urform der Verständigung, der Kommunikation und Warnung. Mit der Entwicklung der Sprache und Schrift kultivierte die Menschheit die Kommunikation und war in der Lage Geschehenes abrufbar gespeichert zu halten. So hätten ohne Römer unsere Burschenschafter keine Helden, wie z.B. den Cheruskerfürsten Arminius, weil damals, als im Jahre 9 zur großen Schlacht aufgerufen wurde, die burschenschaftlich verehrten germanischen Vorfahren weder schreiben noch lesen konnten. Sie verständigten sich im Kampf mit Gebrüll. Aber römische Gelehrte füllten schon damals Bibliotheken mit Schriftrollen und Studenten pilgerten zum lehrenden Wissen. Lange Zeit galt das Buch als Hort der hohen Weisheit.
Mit der Erfindung der Telefonie war es möglich, Botschaften terrestrisch über weite Strecken zu verbreiten und konnte Wissen eingeholt werden. Den nächsten Schritt an Bildungsauftrag erfüllten Radio und Fernsehen. Wir nahmen zur Kenntnis, was wir aus Röhrengeräten hörten und auf den Bildschirmen sahen.
Erst mit dem Internet wurde die Menschheit interaktiv. In Echtzeit wird Gehörtes und Gesehenes sofort beantwortet. Botschaften, Wissen und Meinungen sind abrufbar, zu jeder Sekunde. Und sie sind manipulierbar, beantwortbar, verwerfbar geworden. Wir posten und kommentieren täglich im und via Internet. Wir werden mit Informationen versorgt, aber auch gespamt und zugeschüttet. Es wird uns das Bild der Welt erklärt und wir erklären dieses anderen. Aber auf Basis welcher Informationen?
Hinter jeder Wissensvermittlung steht ein Mensch, Irrtum: stand ein Mensch. Chatbots heißt die neue Wunderwaffe, ausgestattet mit lernfähigen Algorithmen, die selbständig im Dialog mit Usern steht. Bots liefern frei Haus, kostenlos. Die Tüte mit den Informationen muss nicht mehr abgeholt werden, vom Wissensmanagement nebenan. Facebook, Twitter, Microsoft und andere ITs unterstützen bereits die „Frei-Haus-Lieferung“, animiert mit Figuren wie „Alexa“, „Allo“, Sarah oder einfach „M“.
Was als Segen gepriesen wird, ist die Kapitalmaschine für rührige Ingenieure und Marketingspezialisten. Verkauft wird ihnen, liebe User, was zu Ihnen passt. Ihre Surfspuren hinterlassen im Internet ein digitales Abbild ihrer Persönlichkeit, ihrer Vorlieben und Lebenseinstellung. Der Bot wird gefüllt mit Produkten Ihres Interesses, der VerschwörerInnen ihre Verschwörungstheorien, dem Holocaustleugner sein leugnendes Gut, dem Umweltfreund pestizidfreie Welt. Sie finden sich in einer Kammer mit Gleichgesinnten wieder. Sie sind das Zielpublikum, das Marketingstrategen täglich suchen und der Bot bedient das Publikum. Sie werden geformt und sensibilisiert, aber genau auf das, was sie lieben und hören wollen. Dafür erhalten sie viele Likes und unzählige Followers. Sind das nicht beste Voraussetzungen für eine Gehirnwäsche gigantischen Ausmaßes? Ein Ziel möglichst hohe Umsätze pro User zu erzielen, diese optimal zu servicieren, im schlimmsten Fall, um politische Ziele zu erfolgen. Womit wir beim eigentlichen Thema wären.
Ob Putin-Klone im russischen Twitter-Kosmos, Armaden der Präsidentschaftskandidaten in den USA, oder Plärrpostings zur österreichischen Innenpolitik, sie alle beeinflussen die öffentliche Meinung. 4,3 Millionen der elf Millionen Follower von Donald Trump sollen bereits künstlicher Natur sein; für Hillary Clinton sind über drei Millionen Chatbots im Einsatz. Und wieviele sind es bei H. C. Strache?
Sie tweeten und retweeten ihre Parolen, setzen ihre Botschaften ab, machen den Gegner lächerlich, überstreuen ihn mit Hass und Häme und loben den eigenen Kandidaten in luftige Höhen. Gerüchte werden ins Netz gestreut und im Ping-Pong-Verfahren wie eine Seuche verbreitet. Willfährige Erfüllungsgehilfen schaukeln die Masse auf und mit der Menge der Bots baut sich so innerhalb kürzester Zeit ein enormer Meinungsdruck von scheinbar Gleichgesinnten aus der Echokammer auf. Kein Wunder – so schreibt Trend -, dass nach der ersten TV-Debatte Trump in der Online-Welt als eindeutiger Sieger hervorging. Er hatte einfach die besseren Ingenieure beschäftigt, die einfach bessere Algorithmen schrieben. „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“ in Wahlkämpfen, auch in Österreich. Die Präsidentschaftswahl lässt vieles schon erahnen.
Anstelle eines seriösen demokratischen Diskurses, treten pseudointelligente Automaten. Sie filtern Informationen und Fakten nach Belieben, ignorieren Gegenargumente und manipulieren Stimmungen. Betroffen sind vor allem jene, die ihre Social-Media-Kanäle religionsartig als alleiniges Kommunikationsmedium betrachten, als die einzig gültige Wahrheit. Und die Zahl derer, die wächst rasant.
Auch bei uns in Österreich wird die Fragestellung bald lauten: „Wer gewinnt künftig Wahlen? Die Partei mit der größten Bot-Streitmacht, mit der manipulativeren Software? Diese Gefahr sollte nicht unterschätzt werden, wird sie aber. Mit Bot-Chat-Robottern wird unsere Demokratie untergraben, weil Glaubwürdigkeit und Vertrauen nicht aufgebaut, sondern weggefiltert werden. Verhelfen zukünftig wirklich ein paar Programmierer gemeinsam mit verrückten Hass- und Hetzpolitikern uns zur einzig wahren Meinungsbildung? Halten wir dagegen – so wahr uns Bot helfe.
(Auszug aus Standpunkte Trend 07. Oktober 2016, garantiert botfrei; ein Beitrag von Uwe Sailer)
#Botchat, #Meinungsmanipulation, #Bot #Propaganda, #Demagogie