Patagonien und die Kerzen
|Kleiner Mann was nun? Wahrheit sieht anders aus! Michaels kleine Welt.
Man nehme eine Kerze, lasse diese von einem einfachen Malergesellen halten, stelle beide in einen großen Raum , in dem sich schon weitere Rechtsextreme aufhalten, lege ein paar Bücher neonazistisch orientierter Literaten auf, lasse eindeutige Texte rezitieren verbunden mit Musik, die auch dem Führer gefallen hätten, und schon freut sich der Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift und des online-Blogs von „info-DIREKT“ wie ein großer Held.
So stellt sich der Verkleidungskünstler, der fallweise mit schwarzem Bart, Hut und kurzer Lederhose als heimattreuer Patriot unerkannt bleiben wollend auftritt, die Welt vor. Und wenn die schweigende Mehrheit der Bevölkerung seinen Unwahrheiten nicht folgen will, so sind ganz einfach die von der Ostküste, die Antifa, die Linksextremen, die „Systempresse“, WHO und WEF schuld, die mit Hass und Hetze beschimpft und natürlich verjagt werden müssen. Da leistet der kleine Michael wirklich ganz große Arbeit.
Michaels kleine Welt gibt es nicht, die Welt ist größer, komplizierter, aber sicher nicht so einfach gestrickt, wie es uns die Rechtsextremen und Querdullis immer einreden wollen. Damit so eine Welt dennoch irgendwie auf einen erträglich einwirken kann, wenn auch nur als Staffage, erfand man eben „Patagonien“. Und „Patagonien“ feierte mit Kerzen, Rechtsextremen, gefälliger Musik und Texten im schönen Wien, die so einen kleinen Führer wahrlich beeindrucken können.
Der „Herr Chefredakteur“ für eh und alles, Michael Scharfmüller, leitet seinen Artikel auf „info-DIREKT“ so ein:
„Am Freitag, den 15. September 2023, fand im Ferdinandihof in Wien die dritte Patagonische Nacht statt. Michael Scharfmüller war für „Info-DIREKT“ mit Kamera und Mikrofon dabei, um bis weit nach Mitternacht Interviews mit den Teilnehmern zu führen.“
Teilnehmer waren unter anderen Konrad Markward Weiß, Götz Kubitschek, Michael Klonovsky, Martin Sellner und Ronald F. Schwarzer. Alle einschlägig in einschlägigen Zirkeln beheimatet.
Bücher, die man in derartigen einschlägigen Zirkeln zu lesen hat, sind: „Das Heerlager der Heiligen“ von Jean Raspail vom einschlägigen „Antonias-Verlag“ herausgegeben oder „Die Axt aus der Steppe“, ebenfalls von Jean Raspail, erschienen im recht extremen „Karolinger Verlag“, der die Märchenwelt „Patagoniens“ hochhält und zu den Festlichkeiten eingeladen hat.
Umrahmt wurde diese dunkle Zusammenkunft von der in Russland geborenen Elena Gurevich am Klavier und ihrem Ehemann und AfD-Politiker Michael Klonovsky, der aus eigenen Texten las.
„Patagonien“ ist ein Teil Südamerikas, in den rassistischen Texten von Jean Raspail ist es eine fiktive Welt, basierend auf eine katholische Monarchie, wo Ideologien des Kommunismus und Liberalismus gescheitert sind. Im Buch „Das Heerlager der Heiligen“ (1973) beschreibt der Autor die Landung einer Million Inder aus der Unterschicht an der französischen Mittelmeerküste und so zum Untergang der abendländischen Kultur führte. „Die Angst aus der Steppe“ ist ein fiktiver Reisebericht durch drei Kontinente über untergegangene Völker, die erbarmungslos verfolgt und abgeschlachtet wurden.
Der Ferdinandihof ist eigentlich ein Wohnhaus in Wien Wieden, ein Rest des Gartenpalais Graf Starhemberg, in dem der Großhändler für Juwelen und Antiquitäten Ronald F. Schwarzer wohnt. Der 58jährige liebt nur Bücher, die bis 1918 erschienen sind und Barockmusik. Das Erdgeschoss seines Hauses mit dem Veranstaltungsraum „Sala Terrena“ ist noch im Originalbestand aus der Zeit nach 1690, der zweiten Türkenbelagerung. Hier werden Lesungen und Konzerte aufgeführt, ausschließlich bei Kerzenlicht und in der kälteren Jahreszeit auch bei Kaminfeuer. Und genau hier nistete sich „Patagonien“ ein, zumindest für eine Nacht, wo Rechtsextreme, Neurechte, Antisemiten und Weltveränderer sich einer kurzen Auszeit von Demokratie und Liberalismus hingeben konnten.
Das gefiel dem „Herrn Chefredakteur“ von „info-DIREKT“ außerordentlich gut, auch seinem Bart, seinem Hut und seiner Lederhose, die er als heimattreuer Patriot immer wieder anlegt.
Die Bibliothek im Ferdinandihof ist nur lasiertes Holz, keine Intarsienarbeit. Ob Michael, der selbsternannte „Chefredakteur“ und „Verkleidungskünstler“ als gelernter Malergeselle diese Täuschung erkannt hat? Einfach „Info-DIREKT“ eben, wo Wahrheit zur Unwahrheit und Lüge zur Wahrheit wird.
Übrigens, der Veranstaltungsraum „Sala Terrena“ im Ferdinandihof wird auch gerne von FPÖ-Funktionären gebucht. Man gibt sich dort quasi die Klinke in die Hand.
Links
Elena Gurevich
https://de.wikipedia.org/wiki/Elena_Gurevich
Michael Klonovsky
https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Klonovsky
Konrad Markward Weiß
https://www.derstandard.at/story/2000090769594/rechtes-treffen-mit-straches-sprecher-als-redner
Götz Kubitschek
https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6tz_Kubitschek
Ronald F. Schwarzer
https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Sellner
Ronald F. Schwarzer
https://www.derstandard.at/story/2000006982528/dies-ist-nur-eine-arme-bescheidene-landpraelatur
Stoppt die Rechten
https://www.stopptdierechten.at/2023/09/22/neurechter-abenteuer-und-kulturabend/#more-31620
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